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Einsicht

Man soll Menschen ja bekanntlich immer da abholen, wo sie stehen. Es bringt wenig jemanden zu etwas zu zwingen, das er nicht kann oder will. So ähnlich stellt sich dies auch in Beziehungen. Ich weiß noch ganz klar und deutlich, dass ich bestimmte Vorstellungen hatte, wie eine Beziehung abzulaufen hatte. Damals, als ich noch jung und unangetastet war. Unangetastet von dieser Welt, in der eben nicht immer alles so läuft, wie ich es mir mit 20 vorgestellt habe.

Mein Vorstellungen des perfekten Werdegangs einer Beziehung sah folgendermaßen aus: Man lernt sich kennen, durch Freunde oder an einem tollen Abend in der Lieblingsbar. Der Abend war total lustig und man will sich unbedingt so schnell es geht wieder sehen. Schon am Abend schickt er mir noch eine „Gute Nacht“-SMS und beteuert, wie toll der Abend/Tag etc. war. Diese SMS war absolute Pflicht. Ansonsten war ich mir sicher, dass er kein Interesse an mir hat und noch viel wichtiger, dass er meine Zeit nicht wert war.

So schnell wie möglich musste das erste Date stattfinden (das damals noch nicht Date hieß). Und erste Annäherungsversuche. Diese mussten natürlich von ihm ausgehen. Nach maximal einem Monat muss sich alles geklärt haben, also eine offizielle Beziehung stattfinden. So viel zur Vorstellung. Schon damals ist diese Realität nicht wirklich eingetreten. Bis zu Martin. Auch wenn es zum Ende leichte Probleme gab, muss man ihm lassen, dass er am Anfang wirklich viel in unsere Beziehung investiert hat. Er wollte mich und das hat er mich auch spüren lassen. Er wollte, dass ich seine Freunde und Familie kennenlerne. Er wollte mich vorzeigen. Er wollte mich nur für sich haben und so viel Zeit, wie möglich mit mir verbringen. So war es einfach eine Beziehung zu führen.

Martin abzuholen, wo er stand, war einfach. Clemens abzuholen, wo er steht, ist nahezu unmöglich, denn ich weiß einfach nicht, wo er steht. Es ist ein hin und her. Ein heute will ich, morgen nicht. So wenig Beständigkeit. Ich weiß einfach nicht, was er will und was er sich vorstellt. Vor einer Woche hat er mich gefragt, ob wir nicht im Sommer zusammen wegfahren wollen. Nur wir beide, um uns mal intensiver kennenzulernen. Zwei Wochen. Egal wohin. Er ist flexibel. Ich war glücklich und wollte sofort mit der Planung anfangen. Seitdem: nichts mehr. Keine Antworten auf meine Fragen zur Planung. Er schweigt es einfach tot und weicht aus, wenn er nur kann. Ich will ihm aber auch nicht hinterherlaufen. Schließlich war es seine Idee. Ich hätte auch darauf verzichtet, da ich mir vorstellen könnte, dass es ihm zu schnell geht.

Ich mag ihn sehr gerne, aber ich will so nicht weitermachen. Wenn es eine beständig, langsam steigende Zuneigungskurve wäre, egal wie langsam, könnte ich damit leben. Aber heute liebe ich dich (nicht wörtlich genommen) und morgen hasse ich dich (auch nicht wörtlich genommen), kann ich nicht ertragen. Es schreit nach einem Gespräch. Ach, wie ich Beziehungsgespräche doch liebe!

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