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Nein sagen

Nun sehe und höre ich meine Schwester seit ihrer Trennung deutlich häufiger als vorher und kann sagen, dass der positive Nebeneffekt eine ziemliche Annäherung in der geschwisterlichen Beziehung ist. Was nicht heißen soll, dass wir vorher eine schlechte Beziehung hatten. Nur, dass sie zwei Kinder und einen Ehemann hatte und ich eben nicht. Was mir wohl dementsprechend mehr Zeit gelassen hat, als ihr. Gut, die Kinder hat sie zwar immer noch, nur dass einen Teil der Woche bei ihrem Vater verbringen. Human diese Trennung. Das Beste für die Kinder und so. ehrlich gesagt, hat mein Ex-Schwager dies nicht verdient, aber das ist eine andere Baustelle und vor allem nicht Meine.

In ein oder zwei beiläufigen Sätzen, die ich mit meiner Schwester in den letzten zwei Monaten gewechselt habe, habe ich auch Clemens erwähnt. Natürlich wollte sie sofort mehr wissen, es gab aber nicht wirklich mehr zu erzählen, insbesondere bestimmte Aspekte, die ich ihr nicht erzählen wollte. Ich kann mir vorstellen, was meine Schwester zu seiner Lebensgeschichte und seinem aktuellen Verhalten sagen wird. Ich habe wenig Lust mir ihre Ratschläge anzuhören, nur um sie dann doch zu ignorieren.

Außerdem würde ich mir bestimmte Situationen ja immer wieder in den Kopf zurückrufen, wenn ich ständig darüber reden würde und dazu habe ich noch weniger Lust. Ich verstecke die meisten Gedanken lieber im letzten Winkel meines Gehirns und lüge mir selbst noch ein wenig die Taschen voll.

Meine Schwester jedenfalls hat beschlossen, da es laut meiner Schilderung ja so gut läuft, dass sie und meine Eltern ja vorbeikommen könnten, um ihn kennenzulernen. Natürlich habe ich dankend abgelehnt. Habe mir aber den Spaß nicht nehmen lassen, ihn zu informieren, dass ich eben diese Konversation mit meiner Schwester hatte.

Clemens Reaktion war fabelhaft und zeigte mir zugleich eine Charaktereigenschaft, die mir vorher völlig entgangen war. Er kann nicht direkt „Nein“ sagen. Ein Einfaches „Nein, das ist doch viel zu früh“ oder ähnliches, war meine erwartete Reaktion. Aber nein, er wich aus. Vollkommen. Er antwortete mit „Ah ja, interessanter Vorschlag! Was machen deine Eltern eigentlich?“ Eine halbe Stunde in unsere Unterhaltung über meine Eltern hinein, fiel mir dann auch auf, dass er sich nie direkt negativ geäußert hatte, nie direkt „Nein“ gesagt hatte. Ich ließ es beruhen, schließlich empfinde ja sogar ich es zu früh, die Eltern vorzustellen, wenn man den Beziehungsstatus noch nicht einmal definiert hat. Apropos: Dies wird auch eine weitere spannende Unterhaltung werden, in der er wahrscheinlich auch nicht direkt „Nein“ sagen kann und wird.

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