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Katerstimmung

Ich habe immer einen hammer Kater, wenn ich besoffen auch noch vor mich hin heule. Nicht genug, dass ich meinem Körper durch den ganzen Alkohol unendlich Wasser entziehe, nein die verbleibenden Reserven schieße ich dann durch meine Tränenkanäle. Furchtbar. Es ging mir also so richtig mies am nächsten „Morgen“. Gegen Mittag konnte ich mich aufraffen endlich mein Bett zu verlassen und meinen Körper unter Protesten auf die Couch zu wuchten.

Kopf dröhnt, Magen rebelliert und Benny sitzt freudestrahlend in der Küche und trinkt Kaffee. Verdammt, damit hatte ich nicht gerechnet. Irgendwie dachte ich bei dem Blick auf eine leere Bettseite, dass er schon weg sei. Aber nein, das Studentenleben ruft ja nicht zu laut.

„Kaffee?“ kommt als Frage aus der Küche. Ich schüttele den Kopf. Großer Fehler. Es dröhnt, alles dröhnt. Ich schaffe es gerade eine Schmerztablette mit Minischlücken, lauwarmen Leitungswassers zu mir zu nehmen. Kaffee geht gar nicht. Außerdem bin ich unendlich wortkarg. Ohne ein einziges Wort lege ich mich auf die Couch und mache die Augen zu. Mein Körper ist müde und will eigentlich nur schlafen, aber mein Kopf sagt vehement „Nein“. Er schreit es praktisch.

Als ich die Augen wieder aufmache, sitzt Benny auf der Kante der Couch und schaut mich mitleidig an. Er fragt, ob ich immer so einen Kater habe. Er würde sich das mit dem Trinken dann wohl doch noch einmal überlegen. Ob es das Wert ist…

Ich will ihm mitteilen, dass ich nicht immer so einen Kater habe. Ganz im Gegenteil, eigentlich habe ich nie einen Kater. Ich kann trinken wie ein Loch und schaffe es eigentlich immer morgens aus dem Bett zur Arbeit. Es gibt sogar eine einfache Formel, wie man sogar halbwegs nüchtern und fit zu wichtigen Terminen kommt, ohne am Vorabend auf Alkohol verzichten zu müssen. Immer ein Getränk weniger trinken, als man Stunden Schlaf hat. Sechs Stunden Schlaf = fünf Getränke. Wer weniger wichtige Termine hat, kann die Formel auch umdrehen. Das ist aber nur für gestandene Trinker.

Ich will, dass Benny geht. Ich will ihn nicht sehen. Ich will in meinem Elend alleine sein und mich ein wenig selbst bemitleiden, warum genau ich einem Mann hinterher rennen muss, der sowas von klar und deutlich kein Interesse an mir, geschweige denn einer Beziehung hat. Stattdessen gucke ich in diese sanften braunen Augen und denke mir, dass ich ihm wohl oder übel sagen muss, dass ich kein Interesse an ihm habe.

„Ich mach dir mal nen Tee. Kamille hilft bei Magenkrämpfen und übelkeit. Und eine Wärmflasche wäre wohl auch nicht verkehrt! Willst du eine Kleinigkeit essen? Ich koch dir auch ne Suppe!“ Ich verneine dankend. Essen bekomme ich mindestens bis zum Abend nicht runter. Warum genau kann ich mich nicht einfach auf Benny einlassen. Er hat wenigstens Interesse an meinem Wohlbefinden. Clemens meldet sich Ewigkeiten nicht, weil er zu beschäftigt ist mit 20-jährigen Bimbos durch die Bars zu ziehen.

Nachdem Benny mir einen Tee gekocht hat, setzt er sich zu mir auf die Couch und streichelt behutsam meine Beine. Als ob mein Kater davon besser wird. Ohne es zu merken, wird er dies aber. Die dritte warme Tasse Tee zeigt Wirkung. Mir ist nicht mehr schlecht und die Kopfschmerzen sind nur noch sehr dumpf. Benny muss weg, würde aber später wiederkommen, wenn mir danach sei. Ich verspreche, dass ich ihm schreibe, wenn ich seine Gesellschaft will. Will ich nicht. Ich will alleine sein. Als er geht, zieht er etwas überrascht noch mein Handy aus seiner Jackentasche. Das habe ich wohl dort drin vergessen. Er gibt es mir und verabschiedet sich. Es gibt brav  ein kleines Küsschen. Respekt: Bis dato hatte ich mir nicht die Zähne geputzt.

Ein Blick auf mein Handy und schon ist die übelkeit wieder da. Clemens hat angerufen. Sieben Mal. Außerdem hat er mir eine Nachricht hinterlassen und mir geschrieben. Ich lese die Nachrichten. Er will, nein er muss mich sehen. Dringend.

Ich schlürfe zur Tür, schließe von innen ab und ziehe die Wohnzimmertür hinter mir. Mit Sicherheit werde ich heute keinen Clemens mehr empfangen. Weder auf die Nachricht, noch auf seine Anrufe reagiere ich. Nicht heute, nicht nachdem ich morgens um fünf Stunden in meinem Bad auf dem Boden geheult habe. Dafür habe ich keinen Nerv mehr.

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