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Ich will aber nicht

Nervige Fragen zum Beziehungsstatus kenne ich sonst nur von mir. Wahlweise gerichtet an meinen derzeitigen „Partner“ oder aber an verschiedenste Freundinnen, die jemanden kennengelernt haben, mit dem es vielleicht ernst werden könnte. Dann nerve ich gerne so lange, bis mein Gegenüber Erbarmen hat und mich in sein innerstes Gefühlsleben eintauchen lässt.

Gut, ehrlich gesagt ist es schon ein wenig (sehr lange) her, dass ich damit einen Mann genervt habe. Bei Freundinnen passiert dies ca. einmal die Woche. Ob das nun daran liegt, dass ich besonders viele Freundinnen habe, die Männer kennenlernen oder ob es vielleicht immer die gleichen Freundinnen sind, die ein paar Mal zu viel und ein wenig zu früh einen legitimen Beziehungsstatus vorweisen wollen, vermag ich nicht zu sagen.

Diesmal allerdings wollte ich weder von Clemens eine Antwort haben, noch löcherte ich besagte Freundinnen. Single-Sarah und ich saßen gemeinsam in einer Bar. Ich hatte keine Lust. Wirklich keine Lust. Ich schlug ihr vor doch bei mir was zu kochen und zu trinken und schön zu quatschen. Nein, denn wie soll sie denn in meiner Wohnung jemanden kennenlernen? Ok, das ist ein logisches Argument, dass ich durchaus nachvollziehen kann. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich noch so dringend, wie an diesem Freitagabend in meine Jogginghose und mit Vino auf die Couch wollte. Dafür hatte Single-Sarah kein Verständnis. Und weil ich mir selbst (und ihr) versprochen habe, dass ein neuer Mann nicht bedeutete, dass ich keine Zeit mehr für Freundinnen habe, saß ich mit ihr in einer Bar und hatte wirkliche Sehnsucht nach meiner Wohnung. Wo genau ich nun die Zeit für einen neuen Mann hernehmen sollte, wenn ich dafür niemals Freundinnen und mein eigenes Single-Sozialleben aufgeben wollte, ist mir weiterhin schleierhaft. Aber das ist eine ganz andere Baustelle.

Sarah wollte alles wissen. Von Anfang bis Ende. Was macht er? Wie alt? Wie sieht er aus? Wie läuft es in der Beziehung? Wie schnell geht es? Altlasten? Ex-Freundinnen? Das ganze Paket eben! Mit den Jahren lernt man relevante Details schnell herauszufinden. Insbesondere solche Details, die relevant für den weiteren Verlauf der Beziehung sind. Also irgendwann die Ex-Thematik. Ich kann nicht lügen, könnte ich es, hätte ich es getan. Zumindest hätte ich so getan, als hätte ich noch nicht selbst danach gefragt und hätte auch eigentlich kein wirkliches Interesse daran. Aber ich kann nicht lügen. Also musste die gesamte Story her.

Nach ausführlicher Besprechung der Situation mit allen Facetten, Zukunftsoptionen und Gefühlsausbrüchen dann die unausweichliche Situation. Die Frage nach dem Beziehungsstatus. Ich konnte sie nicht beantworten. Nach einer winzigen Denkpause schoss es mit in den Kopf. Ich konnte sie nicht nur nicht beantworten, ich wollte es auch gar nicht. Ich dachte kurz, ich belüge mich selbst, aber nein. Ich wollte es zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht schwarz auf weiß (im übertragen Sinn) haben, als was unsere Beziehung zu definieren war.

Endlich zu Hause setzte sich mein Gehirn ohne meine direkte Zustimmung weiterhin mit dem Thema auseinander. Realistisch betrachtet möchte ich natürlich, dass ein Mann will, dass ich seine Freundin bin. Ich will, dass er mich als „seins“ deklarieren möchte, ich will, dass er seinen Freunden und seiner Familie von mir erzählt. Bei Clemens kann ich aber auch noch eine gewisse Zeit darauf verzichten. Beziehungsweise ich will eine gewisse Zeit darauf verzichten. Nur warum? Aus Angst, dass er sofort einen Rückzieher macht, sobald es zu ernst wird? Die Gefahr ist durchaus real. Sollte man sich ihr stellen oder lieber erstmal in ihrem Schatten leben?

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