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Eine kleine Eskalation

Da ich in meinem Kopf entschieden habe, dass das Leben zu kurz ist, um nicht jede Situation auszukosten, habe ich Benny eine realistische Chance gegeben. Zumindest habe ich dies geglaubt. Nun gut, es ist gerade einmal drei Wochen her, dass wir uns überhaupt kennengelernt haben, sodass man in meiner Welt ohnehin noch nicht von einer Chance oder Beziehung sprechen kann. Dennoch ist eine gewisse Grundeinstellung im Kopf von Nöten, wenn man auf der Suche nach einem neuen Partner ist. Wenn dort ständig die letzte „Beziehung“ herumgeistert, wird es sowieso nie zu einer ernsthafteren Sache werden.

Dementsprechend habe ich Clemens weitestgehend aus meinem Kopf katapultiert (mit mäßigem Erfolg) und mich so oft, wie möglich ins Datinggetummel geschmissen. Hauptsächlich eben mit Benny. Das gute an Benny: Bei ihm vergesse ich Clemens wirklich. Er hat ständig was zu erzählen, ist offen und redet einfach fröhlich vor sich hin über sich und die Welt. Nicht so ein Grübler, wie Clemens. Ich höre ihm die meiste Zeit einfach gerne bei seinen Geschichten zu und könnte so wirklich Stunden verbringen. Dabei bleibt es jedoch auch. Mehr Interesse habe ich einfach nicht. Gefühle (tiefergehende Gefühle) Fehlanzeige. Da ich mir so etwas aber nur schlecht eingestehen kann und Benny nur noch schlechter beibringen kann, habe ich die letzten drei Wochen fast nur mit ihm verbracht, was eine merkwürdige Intimität zwischen uns ausgelöst hat.

Eines Abends mitten in der Woche (diese Studenten) fand irgendwo, bei irgendwem eine Party statt. Diese wurde nach ein paar Stunden und zu vielen Menschen für eine kleine Bude in die nächste Kneipe verlegt. Ich musste an besagtem nächsten Morgen recht früh in Richtung Arbeit und wollte mich eigentlich gegen 12 Uhr verabschieden. Aber diese jungen Menschen, zu denen ich mich ja langsam nicht mehr zählen kann, fangen ja gegen 12 erst richtig an zu feiern. Es wurde also immer besser und so vollständig unkompliziert. Für all seine Freunde, war ich bereits Bennys Freundin, völlig klar. Was soll man da auch groß diskutieren. Partner sind ja schließlich nichts, was man verheimlichen sollte. Ich fand diese Einstellung durchaus erfrischend, gleichzeitig aber auch ein  wenig beängstigend, da sie ein klein wenig Druck auf diese „Beziehung“ legt.

Gegen drei Uhr wollte ich dann endlich nach Hause, als die Tür zur Kneipe aufging und Clemens hinein taumelte. Er war nicht alleine. Er hatte eine sehr junge, sehr schöne Frau in seinen Armen. Mir blieb nicht nur für eine Sekunde das Herz stehen, ich bekam auch wirklich keine Luft mehr und musste mich an einem Tisch festhalten, um nicht umzufallen. Der Alkohol mag einen Teil dieser Wirkung verstärkt haben, der tiefersitzende Grund betätschelte allerdings gerade eine 20-Jährige.

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir ca. einen Monat lang überhaupt keinen Kontakt gehabt. Völliges Schweigen. Nicht eine kleine Nachricht. Und da stand er dann und blickte mich direkt an. Er war ziemlich betrunken und ich auch. Kein guter Anfang. Meine kleine Torkeleinlage hatte Benny mitbekommen und kam mir natürlich sofort zu Hilfe. Er legte den Arm um mich, strich mir die Haare aus dem Gesicht und fragte völlig liebevoll, ob es mir gut gehe und ob er mich nach Hause bringen solle. Da ich ohnehin nur noch raus wollte, nahm ich sein Angebot an und küsste ihn zum „Dank“ ziemlich innig. Direkt vor Clemens Nase. Klarer Fall von „ihm etwas beweisen wollen“ oder eben mir selbst etwas beweisen wollen.

Wir gingen also zu mir, eins führte zum anderen und irgendwann morgens kroch ich halb nackt aus meinem Bett in mein Badezimmer und habe erst einmal eine volle Stunde vor mich hin geheult. Ziemlicher Tiefpunkt. Die Illusion, Clemens aus meinem Kopf verbannt zu haben, konnte ich zu diesem Zeitpunkt wenigstens vollends verwerfen. Als ich auf die Uhr guckte, stellte ich erschrocken fest, dass es bereits sieben Uhr morgens war und auf gar keinen Fall zur Arbeit konnte. Ich meldete mich also krank und kroch zurück ins Bett zu Benny. Wenigstens dauerte es nur Sekunden bis ich wieder in einen völlig komatösen Schlaf zurück fiel.

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