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Diese Nachrichten-Beziehung

Das Brunchfenster mit Clemens hat sich an diesem Sonntag dann noch ziemlich hingezogen. Vorbei leider die schöne Zeit, an der man an einem Sonntagabend oder Montagmorgen entscheiden konnte, ob man nun fit genug ist zur Uni zu gehen, oder sich doch lieber nochmal umdreht und von der Streberin in der ersten Reihe die Zusammenfassungen erschleimt. Ich habe mich glaube ich häufiger als mir gut getan hat, nochmal umgedreht und weitergeschlafen. Irgendwann sind mir nämlich die Streber aus der ersten Reihe ausgegangen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es war also keine Option Montag krank zu feiern, ich musste zur Arbeit. Anders als früher, muss man im vollen Erwachsenenleben aber nicht nur körperlich anwesend sein, sondern auch noch fit im Kopf, zumindest bis zu einem gewissen Niveau. Als wir gegen zwei Uhr nachts immer noch auf seiner Couch verweilten, musste ich mich wohl oder über losreißen und die Heimreise antreten, die Gottseidank nur ein paar Bahnhaltestellen weit ist.

Ab da nahm das übel seinen Lauf. Nachrichten. Kurznachrichten, die über das Internet in Chat-Programmen versendet werden und denen man ansehen kann, ob sie gelesen wurden oder nicht. Wie sehr diese Welt von diesen Nachrichten abhängt und beeinflusst ist, wurde mir erst in dieser Woche wirklich bewusst. Schnelle emotionale Bindungen aufbauen, ist ja eigentlich mein Steckenpferd. Kann ich gut, mach ich gerne, der Schmerz am Ende scheint mir zu gefallen. Doch seit langer, langer Zeit habe ich mich gut unter Kontrolle. Diese Woche hatte ich einen Rückfall – sozusagen.

Sonntagnacht schrieb ich noch schnell, dass ich gut angekommen bin. Sowas will man ja bestimmt wissen, dachte ich mir. Montagmorgen noch keine Reaktion darauf. Ich machte mich also zur Arbeit. Irgendwann nachmittags hatte ich immer noch nichts gehört. Also schrieb ich Widerwillens eine weitere Nachricht. Kurz und knapp. Wie sein Tag war und was so seine Pläne waren. Damit es nicht wirkte als sei ich auf eine Einladung etc. aus, schrieb ich dazu, dass ich noch zum Essen verabredet war. Glatte Lüge, ich war mit meiner Jogginghose und Couch verabredet. Auch sehr intim.

Vier Stunden keine Antwort, obwohl ich sehen konnte, dass er die Nachricht gelesen hatte. Dann kurz und knackig ein: „klingt gut. Viel Spaß beim Essen!“ Ich war nicht zufrieden. Schließlich wollte ich so etwas wie Konversation betreiben.

Spät schrieb ich zurück, dass es schön war und ich nun schlafen gehe. So ungefähr zog sich die gesamte Kommunikation zwischen Montag und Freitag. Wenig befriedigend. Ich war drauf und dran, entweder eine riesen Szene zu machen (früheres Ich) oder es einfach abzuhaken und zu vergessen. Aber Clemens kam mir zuvor. Er stand am Freitagabend vor meiner Haustür. Mein Kopf machte ein bisschen Stalkeralarm.

Ich war jedenfalls schön zurechtgemacht und auf dem Sprung mit ein paar Arbeitskollegen etwas Essen und Trinken gehen. Er kam also ungelegen. Und das wollte ich ihn auch definitiv spüren lassen. Innerlich störte es mich massiv, dass ich mich fühlte, als müsse ich ihm etwas beweisen. Von wegen: „Sieh her. Es ist Freitagabend und ich mache mich fertig. Gleich gehe ich weg, denn ich bin auch als Single glücklich und bei weitem nicht auf einen Mann, wie dich angewiesen.“ Doch die Freude darüber, dass es eben genauso war und ich nicht alleine mit Chips auf der Couch saß, machte mich tierisch glücklich.

Er meinte nur, dass es ja sehr wohl seine eigene Schuld wäre, schließlich hätte er mich einfach mal fragen können, was ich machen, anstatt einfach aufzutauchen. Ich konnte wirklich nur zustimmen. Doch so sehr ich sauer und genervt war, von dieser Nachrichten-Woche, die mich in meinen Kommunikationsbedürfnissen so gar nicht befriedigt hatte, so sehr habe ich mich gefreut, dass er vor meiner Tür stand. Er gab sich mit einem sonntäglichen Brunch zufrieden. Das Wochenende war verplant und das würde ich auch nicht verändern. Auch wenn ich Samstagabend schlichtweg nichts vorhatte. Aber meine Ehre musste bewahrt werden. Bis Sonntag musste ich mir noch eine Wahnsinns Geschichte ausdenken, was Samstagabend so alles passiert ist.

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