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Bisphenol A

Gerade befindet man sich noch auf gut 1800 Metern in einem kleinen Skiresort mit privatem Wellnessbereich und der Piste direkt vor der Haustür und nun schon wieder im grauen Deutschland. Innerhalb einer Woche gab es einen Meter Neuschnee im Tal und fast zwei auf dem Berg. Dazu fast jeden Tag strahlenden Sonnenschein. Jetzt hat mich eine tiefe Winterdepression ereilt. Nun ja, eigentlich kann man eher von einer nicht-genug-Winter-Depression sprechen. Dieses grau, dieser Alltag. Wirklich nicht schön.

Ich sehne mich zurück nach Sauna, Whirlpool und Schnee in rauen Massen. Wie schön jeder Morgen, auch wenn er nach viel zu kurzer Nacht und viel zu wenig Schlaf um sieben Uhr morgens mit viel zu lauter Musik begann, angefangen hat. Hinsetzen, frühstücken und geschmeidigen Weiß beim Fallen zu sehen.

Skifahren mit der ganzen Truppe hat eine lange Tradition, auch wenn ich es erst relativ spät gelernt habe und früher eigentlich nur wegen Martin mitgefahren bin. Irgendwann, wenig ermutigt von meinem Ex, habe ich dann den Entschluss gefasst, dass es wenig Sinn macht ständig nur darauf zu warten, dass alle von ihrem tollen Skitag nach Hause kommen, während man selbst ein bisschen spazieren war. Also ab auf die Bretter.

Nach unserer Trennung hatte ich zwei Jahre wenig Lust mitzufahren, auch weil es an und für sich zu allererst einmal seine Freunde waren. Doch mit fortschreitender Zeit und fortschreitendem Vergessen, konnte ich mich doch wieder für die Skiwelt begeistern. Der Umstand, dass Julia nicht unbedingt beliebt war bei Martins Freunden und Martin selbst auch ein paar Sympathien verloren hatte im Zuge der ganzen Trennung, spielte mir natürlich in die Karten. Die beiden fuhren nicht mehr mit, was es umso angenehmer für mich machte. Man muss schlicht und einfach sagen, dass es einer geschundenen Seele auch einmal gut tut, zu hören, dass die anderen nun wirklich völlig allein an der ganzen Situation Schuld sind und man selbst ein absolut bemitleidenswertes Opfer ist.

Heute ist Martin freilich kein Thema mehr. Dafür umso mehr: Kinder! Man kann seinem Schicksal auch wirklich nirgends entrinnen. Alle haben Kinder oder wollen Kinder. Damit findet sich eine riesige Schnittmenge an Themen, die wollende oder werdende oder seiende Mütter und Väter (die allerdings weniger) miteinander besprechen können. Ich habe keine Kinder und will auch (jetzt) keine Kinder, was mich zu einem Außenseiter der weiblichen Fraktion macht. Es gibt nur wenige Fluchtmöglichkeiten, da man als Frau auch automatisch eingebunden wird in Gespräche dieser Art. Schließlich wollen definitiv ALLLE Frauen Kinder.

Ich halte mich prinzipiell von vorneherein an die Männerfraktion. Die sind nämlich trinkfester und werfen sich auch mal spontan nackt in den Schnee. Da gibt es mehr zu lachen, als bei der Frage welche Fläschchen denn nun auf jeden Fall Bisphenol A frei sind. Ich gähne und nehme mir dabei lieber noch ein Bier aus garantiert Bisphenol A freien Glasflaschen.

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